SUPERDEMOKRATIE - Der Senat der Dinge

Drei Kulturinstitutionen werden im Oktober während der Ausstellung SUPERDEMOKRATIE mit dem belgischen Senat im Dialog stehen. BPS22 in Charleroi, BOZAR in Brüssel und M HKA in Antwerpen geben der aktuellen Problematik des Senats eine kulturelle Dimension

1.10.2017 - 31.10.2017

SUPERDEMOCATIE / SUPERDEMOKRATIE / SUPERDEMOCRACY

image: (c) M HKA

Die Stimme der Bürger findet in den Parlamenten weltweit einen immer größeren Widerhall, während die Vielfalt der von diesen Institutionen repräsentierten Personen und Dingen stetig zunimmt.

Die sozialen Medien sorgen heute für einen regelmäßigeren Austausch zwischen den Bürgern und ihren Vertretern. Über zahlreiche Initiativen werden sie in allerlei Interessen- und Aktionsgruppen zusammengeführt, um eine breitere Entscheidungsgrundlage zu schaffen. Interaktion und Dialog rücken langsam (erneut) ins Zentrum der Entscheidungsfindung. Die repräsentative Demokratie entwickelt sich Schritt für Schritt zu einer „deliberativen Demokratie“.

Ferner ist das, was vom Parlament repräsentiert wird, tiefgreifenden Veränderungen unterworfen. Es handelt sich nicht mehr nur um die Vertreter einer immer vielschichtigeren „Bevölkerung“, sondern auch um viele „nicht-menschliche“ Komponenten der Welt, die ebenfalls Aufmerksamkeit verlangen: Tierrechte, Denkmalpflege, technologische Entwicklung, Energienutzung und Umweltschutz sind aktueller denn je. Das Bewusstsein wächst, dass der Mensch, wenn er überleben will, Tiere und „Dinge“ nicht mehr nur als Besitz betrachten kann, die ihm zu Diensten stehen, sondern dass sie einen festen Bestandteil der Welt ausmachen, etwas Wesentliches über die Welt aussagen und ihren Einfluss ausüben. Darum reden wir hier, in Anlehnung an den Soziologen Bruno Latour, vom „Senat der Dinge“.

Ausgehend von der Feststellung, dass die Funktionsweise des politischen Prozesses immer komplexer und beweglicher wird, führt diese Ausstellung den Begriff SUPERDEMOKRATIE ein. So wie die Herkunft nicht mehr ausreicht, um die wachsenden Unterschiede in der Gesellschaft zu deuten, kann die zeitgenössische Demokratie nicht länger auf die Wahlurne und Plenarsitzungen im Halbrund reduziert werden.

Die Ausstellung SUPERDEMOKRATIE rückt die „Zusammen-Arbeit“ ins Rampenlicht. Der Belgische Senat ist dafür ideal geeignet: als Versammlung der Teilstaaten finden hier Gedankenaustausch und Dialog zwischen den Gemeinschaften über „transversale Angelegenheiten“ statt. Und genau darum geht es im Dialog zwischen den drei Kultureinrichtungen – BPS22 in Charleroi, BOZAR in Brüssel und M HKA in Antwerpen – und dem Parlament.

Konkret fokussiert sich die Ausstellung auf fünfzehn Themen in ebenso vielen Sälen des Senats. Dabei werden jeweils Künstler aus der französischen, der flämischen und einer anderen Gemeinschaft zusammengebracht. Die Kombinationen ihrer Malereien, Skulpturen, Fotos, Videos, Installationen usw. aus den Kollektionen von BPS22 und M KHA zeigen einen möglichen Ansatz für die einzelnen Themen. Der Zuschauer wird aufgefordert, Zusammenhänge mit den vom Senat behandelten Fragen einerseits und zwischen den Werken andererseits zu entdecken und sich so am angeregten Dialog zu beteiligen.

Dieser Gedankenaustausch wird den gesamten Monat Oktober über in „Diskussionssalons“ und Lesungen fortgesetzt, die von den drei Partnern zu den Themen der Ausstellung organisiert werden.

Bart DE BAERE

Paul DUJARDIN

Pierre-Olivier ROLLIN


CONCORDIA

image: (c) M HKA

Concordia – wörtlich „mit Herz“ – Eintracht, das will diese Ausstellung zeigen. Die Suche nach Harmonie zwischen den und innerhalb der Gemeinschaften bildet hierbei den Herzschlag. Die Bereitschaft zu Offenheit und Austausch – zum Dialog – ist dabei unentbehrlich. Diese „Zusammen-Arbeit“ erfordert oftmals viel Geduld und äußerste Behutsamkeit. Wie zwischen zwei Partnern ist der Weg in einen gemeinschaftlichen „Modus Vivendi“ nicht immer einfach. Aber wenn er gelingt, kann eine Übereinkunft das Signal für einen neuen Anfang bedeuten.

Als Versammlung der Teilstaaten beschäftigt sich der Senat mit Fragen, deren Zuständigkeit an der Schnittstelle zwischen dem föderalen Staat und den Teilstaaten liegt. Das Ziel der Eintracht soll mittels Dialog erreicht werden.


Eine ganze Reihe an Werken von Narcisse Tordoir (°1968, lebt in Antwerpen) entsprang der Zusammenarbeit mit anderen Künstlern. Die hier gezeigten bemalten Tücher wurden im Rahmen von drei Workshops in Bamako (Mali) entworfen. Die Ergebnisse eines gemeinsamen Gedankenaustauschs wurden mittels der lokalen Maltechnik „Bogolan“ auf die gewobenen Stoffe als Träger gebracht. Auch umhangförmige Tücher von Walter Van Beirendonck aus Antwerpen wurden als Untergrund benutzt.

Charlotte Beaudry (°1968, lebt in Brüssel) bringt eine Weiblichkeit zum Ausdruck, die zwischen den Wirren der Jugend und den Zweifeln des Erwachsenseins eingeengt ist. Durch die Darstellung anonymer Körper zeigt sie die Nuancen einer Identität auf der Suche nach Balance und Ausgeglichenheit. Ein lebenswichtiges Gleichgewicht, das durch gegenseitige Übereinkunft in Gang gesetzt wird, wie im Tanz dieser beiden Körper dargestellt.

Das Standbild von Marina Abramović (°1946, lebt in Amsterdam) und Ulay (°1943, lebt in Amsterdam) beruht auf einer Reihe von Performances mit dem Titel Modus Vivendi. Obwohl die Künstler ihren Körper auch weiterhin als Kunstobjekt benutzen, akzentuieren ihre späteren gemeinsamen Werke eher die metaphorischen und theatralischen Dimensionen. Sie erkunden die Beziehung zwischen Mann und Frau sowie ihre eigenen Beziehungen zur Landschaft und zu den Ritualen anderer Kulturen.


DIVERSITAS I

Zivilisationen fallen nicht vom Himmel und erreichen nie Vollkommenheit. Sie entstehen, wachsen und erneuern sich ständig durch kulturelle Vielfalt. Das Zusammenleben mit anderen Kulturen bietet oft unerkannte Möglichkeiten. Durch Offenheit für das Fremde und Kenntnisse über andere Traditionen können diese integraler Bestandteil des eigenen Denkens werden und zu Erneuerung führen. Ein solcher Prozess verläuft nicht mühelos, sondern erfordert viel Zeit und Verständnis über Generationen hinweg.

Im Senat, der Versammlung der Teilstaaten, kommen die belgischen Gemeinschaften und Regionen zusammen. Der Senat verkörpert so die föderale Legitimität.


In ihren Untersuchungen über den eigensinnigen senegalesischen Denker, Wissenschaftler und Politiker Cheikh Anta Diop übersetzt Vanessa Van Obberghen (°1969, lebt in Antwerpen) dessen Interesse für Genetik und DNA in einem Bild, das uns mit den Vorurteilen über Afrika konfrontiert. Sie zeigt ein asiatisches Modell mit einem Körperbau, der eher als „typisch afrikanisch“ gilt.

Der südafrikanische Künstler Kendell Geers (°1968, lebt in Brüssel) schafft Werke, die Vorurteile aus der ganzen Welt anschneiden. In Mutus Liber wird ein afrikanischer Fetisch mit Farbe beschmiert, als ob die Farbe seine spirituelle Kraft wieder auferweckt. Sein Werk zwingt den Betrachter, traditionelle Auslegungen der Kunst aufzugeben und sich auf eine direkte emotionelle Konfrontation einzulassen.

Die Djellabas von François Curlet (°1967, lebt in Brüssel) gehen auf Identitätsprobleme bestimmter Jugendlicher mit Migrationshintergrund ein, die zwischen der orientalischen (elterlichen) Kultur und einer westlichen (Medien-)Kultur hin- und hergerissen sind. Der Künstler löst diese Spannung in einer humoristischen Synthese zwischen traditioneller Djellaba und Streetwear: ein sichtbares soziales, wirtschaftliches und politische Paradox.


DIVERSITAS II

image: (c) M HKA

Zivilisationen fallen nicht vom Himmel und erreichen nie Vollkommenheit. Sie entstehen, wachsen und erneuern sich ständig durch kulturelle Vielfalt. Das Zusammenleben mit anderen Kulturen bietet oft unerkannte Möglichkeiten. Durch Offenheit für das Fremde und Kenntnisse über andere Traditionen können diese integraler Bestandteil des eigenen Denkens werden und zu Erneuerung führen. Ein solcher Prozess verläuft nicht mühelos, sondern erfordert viel Zeit und Verständnis über Generationen hinweg.

Im Senat, der Versammlung der Teilstaaten, kommen die belgischen Gemeinschaften und Regionen zusammen. Der Senat verkörpert so die föderale Legitimität.


Michaël Van den Abeele (°1974, lebt in Brüssel) nennt diese belgische Fahne, deren Farben analog zu einem Schwarzweißfoto aus vergangenen Zeiten in Grautönen dargestellt sind, den „Ursprung der Nation“. Besteht dieser Ursprung aus der Fahne selbst, dem darin zum Ausdruck gebrachten Unterschied oder aus der sich daraus ergebenden Gleichförmigkeit? Nur hier kann eine Fahne grau werden und doch belgisch bleiben, nicht wahr?

Der gelernte Architekt Emilio López-Menchero (° 1960, lebt in Belgien) entwirft Werke, die von seiner doppelten belgisch-spanischen Kultur geprägt sind. Er fokussiert sich auf die Figur des Künstlers und dessen Platz in der Gesellschaft. Mit der Fahne mit seinem Fingerabdruck stellt er nur sich selbst dar und verliert damit jeglichen politischen oder kollektiven Sinn.

In seinem Voorstel voor een nieuwe Europese vlag (Vorschlag für eine neue Europäische Fahne) hat Christophe Terlinden (°1969, lebt in Brüssel) die zwölf ursprünglichen Sterne zu einer geschlossenen Goldkrone verschmolzen. Mit diesem sehr einfachen, poetischen, aber ebenfalls politischen Bild drückt er die Verbundenheit der verschiedenen Länder der Europäischen Union aus.

Die Medusa-Figur ist das Symbol der Frau, die sich als Urkraft in den männlichen Ängsten äußert. In ihren fotografischen Autoporträts setzt Liliane Vertessen (°1952, lebt in Heusden-Zolder) sich selbst mit einer Reihe provozierender weiblicher Klischees in Szene und emanzipiert sich so vom Druck der Gesellschaft. In den zahlreichen Erscheinungen erhalten die Autoporträts von Vertessen eine gewisse Tiefe und befreien sich von allen Anekdoten: die Persönlichkeit wird Diversität, die Identität ist vielfältig.

Mit diesem Werk bringt Thierry Verbeke (°1970, lebt in Lille) zwei Bedeutungen durcheinander, indem er sie miteinander verknüpft: Einerseits das Patchwork, das lange Zeit ausschließlich mit weiblicher Kreativität verbunden und dem in der westlichen Tradition der Status als Kunst lange Zeit verweigert wurde. Und andererseits die Piraterie, die laut einigen Autoren als eine der Grundlagen der Demokratie betrachtet werden kann.

Für eine Ausstellung im Jahr 2007 fertigte Pascale Marthine Tayou (°1967, lebt in Gent) Flaggen, die auf einer Seite die Fahne der Europäischen Union und auf der anderen Seite die Fahne der Afrikanischen Union zeigen. Auf diese Weise stellt er die afrikanische Kultur und Erfahrung der europäischen Kultur und der westlichen Gesellschaft gegenüber und hinterfragt so die Konzepte von „Nationalität“ und „Identität“.


DIVERSITAS III

image: (c) M HKA

Von der Emanzipation der Frau zu den Rechten von Homosexuellen und Transgender.
In unserer Gesellschaft werden die Beziehungsmuster zwischen und unter den Geschlechtern immer fließender. Wie andere Bereiche auch kann unsere sexuelle Identität nicht mehr in einfachen Gegensätzen dargestellt werden. Die individuelle Freiheit, die unsere Demokratie garantiert, geht über den Schutz der Sprachengemeinschaften und anderer Minderheiten hinaus.

Der Senat zählt de facto genau so viele Männer wie Frauen und hat zum dritten Mal in seiner Geschichte eine Präsidentin an seiner Spitze. Die Versammlung hat Informationsberichte zu den Themen gemeinsame Elternschaft, Leihmutterschaft sowie Gleichberechtigung von Mann und Frau erstellt.


Jan Van Imschoot (°1963, lebt in Gent) hat ein Auge für das Verborgene – für Dinge, die negiert, ausgeschlossen oder vergessen werden. Dabei zeigt er Figuren, die sich am Rande der Gesellschaft befinden. In diesem als Weckruf zu verstehenden Porträt zeigt er einen Transsexuellen als Mensch mit vollwertigen Gefühlen und internen Konflikten.

Dieses Diptychon von Jean-François Octave (°1955, lebt in Brüssel) stellt das Gesicht eines russischen Seemanns – einer homosexuellen Ikone – einem Satz gegenüber, der vom Lied Just an Illusion der Discofunk-Band Imagination inspiriert ist. Zum Thema Männlichkeit werden im Werk die mit dem Kalten Krieg verbundenen ideologischen Brüche dargestellt.

Miriam Cahn (°1949, lebt in Basel und Bergell) hinterfragt die Rolle des Körpers im kulturellen und sozialen Leben als Ort der Unterdrückung und des Ausdrucks. Als Feministin zeigt ihr Werk neue Formen körperlicher Expressionen. Dieser nackte männliche Körper – ein seltenes Thema in der Kunstgeschichte – wird von einer besonders expressiven und persönlichen Vision entstellt.


DIVERSITAS IV

Eine Gemeinschaft – ob ein Land, eine Stadt oder ein Unternehmen – wird häufig als eindeutig zusammenhängendes Ganzes wahrgenommen und nach außen hin dementsprechend präsentiert. United we stand, divided we fall! Qualität und Wert einer Gemeinschaft beruhen jedoch auf der ihr innewohnenden Vielfalt. So viele Männer, Frauen und Kinder, so viele verschiedene äußerliche und innerliche Eigenschaften, so viele Hintergründe, Begabungen, Interessen, so viele unterschiedliche religiöse Überzeugungen und Ansichten … Es ist diese Einzigartigkeit, die wir in uns selbst und im Anderen suchen.

Das Plenum des Belgischen Senats spiegelt die Vielfalt der belgischen Gesellschaft wider. Vertreter der drei Gemeinschaften und der drei Regionen kommen hier zusammen: Flamen, Wallonen, Brüsseler, Deutschsprachige. Alle drei Landessprachen werden hier gesprochen. Der Senat ist auch die einzige Versammlung, in der die Vertretung von Männern UND Frauen gleichermaßen garantiert ist.


Während ihres künstlerischen Aufenthalts in Charleroi kreierte Mira Sanders (°1973, lebt in Brüssel) auf Initiative des Ausstellungsraums Incise eine Reihe von Druckwerken, wobei sie Zeichnungen, Notizen und Fotos kombinierte. So konnte sie ihre Erfahrungen mit dem besonderen städtebaulichen Charakter der Stadt und den Austausch mit ihren Bewohnern darstellen. Es entstand das Porträt einer sichtbaren wie gleichermaßen unsichtbaren Stadt zwischen Vorurteilen und Entdeckungen.

Véronique Vercheval (°1958, lebt in La Louvière) definiert sich als Reportagenfotografin, Lehrkraft und Militantin. Sie besuchte das Unternehmen Royal Boch in La Louvière nach Ankündigung seiner Schließung. Ganz diskret fotografierte sie die letzten 46 Arbeitnehmer unterschiedlichster Herkunft, die bald entlassen werden sollten, und ließ sie über ihre ersten Tage im Unternehmen erzählen.

Bei einer Reise nach Syrien im Jahr 2001 nahm Willi Filz (°1962, lebt in Eupen) eine Reihe von Porträtfotos auf, die von der individuellen, sozialen, kulturellen und religiösen Vielfalt dieses uns noch so unbekannten Landes zeugen. Er wollte gegen Vorurteile kämpfen und Menschen und Hintergründe zusammenbringen, um so ein nuanciertes und komplexes Bild zu komponieren.


ECONOMIE / ECONOMY / WIRTSCHAFT

Schon immer hat der Austausch zwischen den Menschen – unabhängig von seiner Form – Zivilisationen Struktur verliehen, wobei der wirtschaftliche Austausch oftmals eine dominierende Rolle einnimmt. Doch Kulturen wie Individuen warfen immer auch einen kritischen Blick auf ihre materiellen Sorgen und suchten nach tieferen Daseinsgründen. Die altruistischen kulturellen Ausdrucksformen in allen Epochen überall auf der Welt sind eindrucksvolle Zeugen dessen.

Die Lösung für zahlreiche gesellschaftliche Probleme erfordert einen komplementären Ansatz. Der Senat bietet in dieser Hinsicht vielfältige Möglichkeiten, beispielsweise in einem Informationsbericht mit dem Titel „Ein gemeinsamer Ansatz im Kampf gegen Kinderarmut“.


In seinem Werk hinterfragt Vaast Colson (°1977, lebt in Antwerpen) kontinuierlich seine Beziehung zum Publikum. Im Schaufenster einer Brüsseler Kunstgalerie hat er mit dem Betrag seines Honorars eine Skulptur aus Euromünzen geschaffen, an der sich die Betrachter über ein rundes Loch im Fenster ungehindert bedienen konnten. Dank dreier nicht ahnender „Teilnehmer“ betrug die gesamte Lebensdauer der Skulptur von Colson genau anderthalb Stunden.

Angel Vergara (°1958, lebt in Brüssel) dokumentiert hier seine eigenen Performances. In Köln zeigte er während der Kunstmesse einst einen Supermarkt, in dem ausschließlich Äpfel als Symbol der erotischen und spirituellen Leidenschaft verkauft wurden. Er verweist so auf einen alternativen Raum zwischenmenschlicher Beziehungen am Rande jeglichen Handels.

In diesem Animationsfilm des spanischen Kollektivs PSJM, der als Videoclip entworfen wurde, führen die Streitkräfte großer multinationaler Unternehmen einen zerstörerischen Krieg. Als Endphase des wirtschaftlichen Imperialismus wird der 3. Weltkrieg nicht mehr zwischen Nationen geführt, sondern von Betrieben, die ihre internationale Vorherrschaft untermauern wollen.


INVENTIO

image: (c) M HKA

Seit der Renaissance zählt „Inventio“ – die Erfindung – zu einem Kernbegriff westlicher Kunst. Maler, Bildhauer und Architekten entwickeln sich vom Handwerker zum „freien Künstler“ – sie entwerfen eigene Konzepte, anstatt Vorgaben lediglich umzusetzen. Doch die Erfindung ist beileibe nicht der Kunst vorbehalten: Auch Unternehmen, Institutionen und Organisationen müssen Erfindungsgabe an den Tag legen, wenn sie sich weiterentwickeln und gedeihen wollen.

Der Senat ist ein besonderes, ungewöhnliches und eher unbekanntes Parlament. Er setzt sich aus indirekt gewählten Abgeordneten zusammen und übt seine Aktivitäten praktisch ohne Eingriffe oder Impulse der Regierung aus. Der Senat ist hauptsächlich beratend tätig und spricht Empfehlungen aus.


Vor langem schon wurde die Zeit „genormt“ und wir glauben seit jeher an die Objektivität vibrierenden Quarzes und tickender Sekunden. Sushan Kinoshita (°1960, lebt in Brüssel) hat die Zeit neu erfunden und entwirft hierzu Messmechanismen, die den Takt deregulieren: zum Beispiel ein ultra-schnelles Instrument, das nur den eigenen Moment misst, oder die geruhsame Trägheit von Akazienhonig in einer Honiguhr.

Die Biologie lehrt uns, dass das Neue immer in Form einer Anomalie, eines Monsters auftritt. Jacques Lizène (°1946, lebt in Lüttich) postuliert, dass alle Menschen das Ergebnis eines Unfall sind – dem zufälligen Aufeinandertreffen zweier Häufchen Genmaterial. Mit der Akzeptanz dieser Monstrosität verwandelt die Welt sich in ein groteskes Fest, mit dem cadavre exquis als Leitfaden.

Für dieses Werk baute Taus Makhacheva (°1983, lebt in Moskau, London und Machatschkala) drei Museumstücke in Marionetten um, die sie über ihre Rolle in der Geschichte debattieren lassen will. Auch wenn sie lebendig erscheinen, bleiben es doch Marionetten. Sie erinnern uns an eine wichtige Frage in der Geschichte: „Wer hat das Wort?“


MOBILITEIT / MOBILITE / MOBILITY / MOBILITÄT

image: (c) M HKA

Der Begriff „Mobilität“ wird auf technokratischer Ebene mit Straßenbau, LKW, Zügen und Flughäfen in Verbindung gebracht. Aber Mobilität ist auch ein existenzielles, menschliches und soziales Phänomen. Neben dem mechanisierten Ballett unserer Gesellschaft existieren ein von Kurzlebigkeit und Nomadentum geprägtes Lebensgefühl, das immer mehr an Bedeutung gewinnt, sowie Blockaden und Vertreibung in einer Welt auf der Flucht.

In einem Informationsbericht hat der Senat Empfehlungen für einen besser integrierten öffentlichen Verkehr aufgestellt, u. a. mit einem einheitlichen Fahrschein für das Land und mehr intermodalem Transport.


Mit kurzen, nicht zusammenhängenden, aneinandergereihten Filmfragmenten zappt Ria Pacquée (°1954, lebt in Antwerpen) in ihren Videos zwischen Ost, West, Nord und Süd hin und her. So stellt sie verschiedene Impressionen menschlicher Aktivitäten gegenüber – vom Sandsturm in Marokko bis zur Wanderung einer alten Frau an der stürmischen belgischen Küste. Im Mittelpunkt steht immer wieder die Frage: Wie kann man das Unsichtbare sichtbar machen?

Das Skelett ist eine wiederkehrende Figur im Werk von Johan Muyle (°1956, lebt in Lüttich) und bezieht sich auf tragikomische Weise analog zur Volkskultur auf den Kreislauf von Leben und Tod. Mit dem Kopf des Künstlers ausstaffiert versuchen die motorisierten und mechanisierten Skelette verzweifelt, das Rennen um Leben und Tod zu gewinnen.

Die Werke von Johanna Kandl (°1954, lebt in Wien) verweisen auf die schwierigen Lebensbedingungen in Grenzgebieten. Die prosaische Realität der zeitgenössischen Nachrichtenmedien wird hier als traditionelle historische Malerei dargestellt. In diesem monumentalen Werk hinterfragt Kandl den für viele so schmerzlichen, schnellen Übergang des ehemaligen Ostblocks in den Kapitalismus: „Wer hat noch den Überblick?“


ONDERZOEK / RECHERCHE / RESEARCH / FORSCHUNG

image: (c) M HKA

Forschung, die oftmals nur auf die empirische, wissenschaftliche Ebene beschränkt wird, bezeichnet im Grunde genommen jedwede Sammlung von Daten, die von einer bestimmten Frage ausgehen. Es handelt sich um eine menschliche Kernaktivität, die den Menschen in den Mittelpunkt rückt und die Welt als Herausforderung betrachtet. „Wer findet hat schlecht gesucht“, sagte der Dichter und rückte so die Suche und nicht das Gefundene ins Rampenlicht. Diese Besonderheit wohnt vielen zeitgenössischen Künstlern inne: sie erforschen die Welt, ihre Umgebung, sich selbst, und ihre Praktik auf eigene, originelle unorthodoxe Weise und präsentieren diese Forschung als Kunstwerk.

Die politischen Entscheidungsträger vertrauen immer weniger auf Intuition und Ideologie und stattdessen immer mehr auf Forschung, Fachwissen und wissenschaftliche Informationen. Deshalb werden bei nahezu allen Sitzungen des Senats auch ausgewiesene Fachleute angehört.


Luc Deleu (°1944, lebt in Antwerpen) setzt Jules Vernes Idee von In 80 Tagen um die Welt in einem Projekt der systematischen räumlichen Analyse um. Er entwickelt Routen, um die Welt zu erforschen, indem sie umkreist wird; seine städtebaulichen Perspektiven schöpft er aus gesellschaftlichen, geografischen und demografischen Daten aus aller Welt.

In seinen Werken hebt Jacques Charlier (°1939, lebt Lüttich) ganz besonders die Manipulationen hervor, denen auch künstlerische Bilder dienen können. Er vermeidet dabei den moralischen Zeigefinger durch seinen Humor und seine Poesie. Ausgehend von dem von Kunstkritikern oft genutzten Adjektiv „zerebral“ denkt er sich eine Malerei aus, die sich auf diesen Begriff bezieht, und fügt ein Gehirn aus Keramik hinzu.

In den 1970er-Jahren hat ORLAN (°1947, lebt in Paris) Institutionen, Straßen und Plätze, die einen männlichen Namen tragen, mit ihrem eigenen Körper vermessen. Aus wie vielen „ORLAN-Körpern“ bestehen sie? Ihre Performances gehen auf den Ausdruck „der Mensch ist das Maß aller Dinge“ ein; mit ihren „MesuRages“ bringt sie ihre Wut gegenüber denjenigen zum Ausdruck, die die Verschiedenheit der Menschen nicht tolerieren wollen.


RADICALISERING / RADICALISATION / RADIKALISIERUNG

image: (c) M HKA

Vor nicht allzu langer Zeit waren die Begriffe „radikal“ und „Radikalismus“ positiv konnotiert. Ihre Bedeutung geht auf das lateinische Wort „radix“ (Wurzel) zurück. Progressive Kreise waren stolz, „radikal“ zu sein, da sie nach tiefgreifenden Veränderungen strebten. Alte Strukturen sollten ausradiert werden; neue sollten tiefe Wurzeln fassen und fest verankert werden. Im Allgemeinen – und insbesondere in der Kunst – wurde der Radikalismus als „Suche nach dem Wesentlichen“ angesehen.

Komplexe gesellschaftliche Probleme können nicht von einer einzigen Autorität gelöst werden. Die Sonderkommission „Radikalisierung“ des Senats führt in ihrem Bericht mehrere zentrale Punkte auf und gibt den Behörden des Landes Denkanstöße zur Hand.


Als der Architekt René Heyvaert (1929-1984) beschlossen hatte, Künstler zu werden, wollte er der menschlichen Erfahrung näher kommen. Sein Werk konfrontiert intensive materielle Erfahrungen mit den erbarmungslosen mathematischen Eingriffen des menschlichen Geistes. Auch dieses Brotkreuz kann so gelesen werden: essbare Substanz gegen Mathematik. Nicht mehr, nicht weniger.

Als 18jähriger politischer Flüchtling kommt Tapta (°1926- †1997) nach der Befreiung Warschaus nach Belgien. Zu Beginn der 90er Jahre wirft sie ihr Auge auf Neopren, einen undurchlässigen Kunststoffgummi, der sowohl fest als auch flexibel ist. Ein in mehrere Teile geschnittenes Quadrat ist auf dem Boden verteilt. Im Gegensatz zu einer manchmal als „männlich“ beurteilten Skulptur, die aufsteigen will, entfaltet dieses Werk sich horizontal, als ob es mit dem Boden verankert ist.

In seinem Video bringt Yang Zhenzong (°1968, lebt in Shanghai) Menschen verschiedener Altersgruppen und Berufe vor die Kamera und lässt sie in ihrer eigenen Sprache sagen: „Ich werde sterben“. Die kurzen Ausschnitte konfrontieren den Zuschauer mit existenziellen Fragen. Das Werk regt zum Nachdenken über Haltung und Aufrichtigkeit, Fiktion und Realität sowie Vergänglichkeit und Ewigkeit an.


REFLECTIE / REFLEXION / REFLECTION

image: (c) M HKA

Wie das sprichwörtliche Spiegelbild ist eine „Reflexion“ ohne Gegenüber nicht möglich. Reflexion entsteht aus der Auseinandersetzung mit Begegnungen und kann ohne Öffnung nach außen nicht stattfinden. Reflexion ohne Selbstreflexion erscheint jedoch ebenso wenig glaubwürdig. Selbstreflexion – zum Beispiel über angenommene Standpunkte, eingesetzte Mittel und die eigenen Grenzen – ist wesentlich, um tiefgehendes Verständnis zu entwickeln.

Bereits seit zwanzig Jahren drückt der Senat der belgischen Gesetzgebung in ethischen und bioethischen Fragen seinen Reflexionsstempel auf. Seit drei Jahren untersucht er „transversale“ Themen mit gesellschaftlichen Auswirkungen und spricht entsprechende Empfehlungen aus.


In der Performance Water te Water übersetzt Guy Mees (°1925-†2003) seine homöopathische Bildsprache in eine ökologische und umweltpolitische Geste. Er lässt eine durchsichtige, mit sauberem Wasser gefüllte Kunststoffschale auf dem verschmutzten Kanal Gent-Terneuzen abdriften. Das Bild scheint poetisch auf sich selbst zu weisen, richtet sich aber an die zeitgenössische Welt.

Nachdem sie die Bestandteile eines Gemäldes (Farbe, Träger, Format und Rahmen) untersucht hat, entwarf Marthe Wéry (°1930-†2005) eine großflächige Installation mit himmelblauen Paneelen. Dieses Multimedia-„Ensemble“ ist eine Art plastische Partitur (im musikalischen Sinne des Wortes), die für jeden Ausstellungsraum neu ausgelegt werden muss.

Carla Arocha (°1961, lebt in Antwerpen) verwendet undurchsichtige Plexiglassplatten, um deren Umgebung  zu reflektieren. Die Projektionsfläche ist bereit, Bilder aufzunehmen und zu reflektieren. Sie schneidet in den umliegenden Raum, verweist auf ihn in seiner Rezeptivität (Empfänglichkeit) und rückt ihn in ein anderes „Licht“.


RES PUBLICA

image: (c) M HKA

Die „öffentliche Sache“, die politische Organisation der Gesellschaft, muss das zentrale Anliegen jeder Gewalt sein. Die Parlamente sind dabei das Herzstück der politischen Macht. Es ist von großer Bedeutung, dass sie auch darauf achten, was außerhalb der Plenarsitzungen passiert. Die Gesellschaft verfügt über verschiedene Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen – die Kunst ist eine davon.

Der Senat ist, genau wie die Abgeordnetenkammer, vollumfänglich für die Verfassung und die grundlegende Gesetzgebung zuständig. In diesem Zusammenhang kann er nach der „idealen Gesellschaft“ streben.


In diesem Werk hebt Sven ‘t Jolle (°1966, lebt in Melbourne) die Bedeutung des Kampfes in der Eroberung der Freiheiten hervor. Streiks und Demonstrationen sind der Ausdruck von Unzufriedenheit und Opposition in der Bevölkerung und eine Möglichkeit, sich über die Parlamente Gehör zu verschaffen. Aber ist diese Ausdrucksform in einer globalisierten Welt noch relevant?

Diese beiden Gemälde von Marcel Berlanger (°1965, lebt in Brüssel) mit dem Gille de Binche, einer wichtigen Figur des Karnevals, zeigen ihren Entstehungsprozess. Hinter dem leicht erkennbaren Bild verdeutlicht die Farbe, dass es nur ein Bild ist. Der Gille erinnert daran, dass die Ordnung der Dinge während der Karnevalszeit umgekehrt, und dass Macht nur verliehen und vergänglich ist.

In ihrem Video kombiniert Koka Ramishvili (°1956, lebt in Genf) „gefundenes“ Bildmaterial der sogenannten „Rosenrevolution“ 2003 in Georgien mit eine Szene aus dem Fassbinder-Film „Die Sehnsucht der Veronika Voss“. Das Werk zeigt den ironischen Widerspruch zwischen der männlichen Choreographie der Machtübernahme in Georgien und der weiblichen, melodramatischen Szene von Vergänglichkeit und Tod aus dem Film von Fassbinder.


SOLIDARITEIT / SOLIDARITE / SOLIDARITY / SOLIDARITÄT

image: (c) M HKA

„Solidare“ – dicht, hart, fest, verstärken und im übertragenden Sinne „eine Einheit bilden“ und „vereinen“, so lautet der Ursprung und Zweck des Begriffs „Solidarität“. Solidarität ist ein Eckpfeiler unserer Gesellschaft. Das bedeutet, dass die Mitglieder einer Gruppe nach einem gemeinschaftlichen Wohl streben, das zugunsten aller Gruppenmitglieder, manchmal aber auch zulasten des eigenen Selbst wirkt. Doch die Divergenzen zwischen den Interessen der Gruppe und der individuellen Autonomie bilden gleichfalls ein Spannungsfeld, das regelmäßig in kulturellen Ausdrücken zu finden ist.

Der Senat ist vor allem ein Ort der Begegnung der verschiedenen Gemeinschaften des Landes. Ein Ort, an dem der Austausch von Erfahrungen auf informelle oder formelle Weise möglich ist.


Die Reihe „!VROUWENVRAGEN?“ („!Frauenfragen?“), die Jef Geys (°1934, lebt in Balen) 1965 aus den Aussagen seiner Schülerinnen sammelte und als Kunstwerk präsentierte, bringt sowohl die Gleichheit von Lehrer/Künstler und Schüler als auch von Mann und Frau (zum Beispiel die Frage „11. Frauenarbeit = Männerarbeit“) zum Ausdruck. Die den Frauen gestellten Fragen konzentrieren sich auf die Emanzipation gegenüber der gesellschaftlichen Ordnung.

In seiner Fotografie spielt Michel François (°1956, lebt in Brüssel) mit Gegensätzen, zum Beispiel Intimität und Universalität, Stabilität und Verletzlichkeit, Sicherheit und Gefahr. Auf diesem skulpturalen Foto eines bekannten Kinderspiels mit Händen erinnert er daran, dass alle zum sozialen Leben beitragen müssen.

In ihrem Video formuliert das Künstlerduo Victor Alimpiev (°1973, lebt in Moskau) und Marian Zhunin (°1968, lebt in Moskau) eine Ästhetik der Konformität und Uniformität. Die Protagonisten führen vorgeschriebene Bewegungen aus, die sich auf tägliche Aktionen und Reaktionen beziehen. Doch die choreographische Perfektion wird ab und zu unterbrochen, um Fragen über die Beziehungen zwischen den Individuen und der Masse aufzuwerfen.


TEKSTVERZORGING / TOILETTAGE DES TEXTES / TEXT QUALITY / TEXTPFLEGE

image: (c) M HKA

„Dura lex, sed lex“ – das Gesetz ist hart, aber es ist das Gesetz. In einem Gesetz zeigt sich das Wort in einer seiner autoritärsten und normativsten Formen. Deshalb ist es unabdingbar, dass Gesetze mit äußerster Sorgfalt aufgestellt werden und dass den jeweiligen Formulierungen ganz besonders viel Zeit und Aufmerksamkeit gewidmet wird. Daneben müssen aktuelle Rechtsvorschriften regelmäßig überprüft werden. Diese Aufmerksamkeit für neues und bestehendes Material ist typisch für jede kreative Arbeit.

Der Senat wacht traditionell über die Qualität der Texte der Gesetzgebung. Durch eine regelmäßige „Bereinigung“ des juristischen Arsenals soll der Abstand zwischen Bürgern und dem Rechtsstaat verringert werden.


Denmark (°1950, lebt in Antwerpen) ist vom Medienstrom besessen und sammelt in seinen Installationen allerlei Druckwerke. In Les Quatre Saisons de Moniteur belge komprimiert er die juristischen Inhalte eines Jahres, mit denen unsere Gesellschaft besser organisiert werden soll. Neben einer Auseinandersetzung mit der Funktion des Rechts sinniert die Arbeit auch über die menschliche Eitelkeit.

Der Brüsseler Dichter und Künstler Marcel Broodthaers (°1924- †1976) verknüpft verschiedene Rinderrassen mit den Namen von Automobilherstellern. Auf spielerische Weise stellt er Wörter und Bilder gegenüber und raubt der autoritären und normativen Macht der Sprache so das Geheimnisvolle.

Sheila Gowda (°1957, lebt in Bangalore) verarbeitet in vier Patchworkdecken Stoffreste aus Textilfabriken, die einst von armen Frauen gefunden und rudimentär zusammengenäht wurden. Dreißig Jahre später werden diese Farbfetzen Bestandteil der subtil-kritischen Arbeiten von Godwa und erhalten durch das Hinzufügen weiterer gedruckter Textilstücke mehrere, vor allem sozio-politische Bedeutungen.


WELZIJN / BIEN ÊTRE / WELL-BEING / WOHLERGEHEN

image: (c) M HKA

In einer Welt mit begrenzten natürlichen und sozialen Ressourcen erfordert die Suche nach dem Gleichgewicht zwischen Wohlergehen und Wohlstand eine ständige Prüfung und Kontrolle. Wie viel materieller Überfluss ist unter Berücksichtigung der verfügbaren Mittel für das optimale Wohlergehen nötig und möglich? Welche Kapazitäten und Rollen nehmen bei dieser Frage Individuen und öffentliche Hand ein? Im Zusammenspiel poetischer und engagierter Blicke auf Menschen und die Welt eröffnet die Kunst oft verblüffende Einsichten.

In verschiedenen Informationsberichten formuliert der Senat konkrete Empfehlungen, um das Wohlergehen der Bürgers zu fördern, z. B. über das Aufstellen von Klimazielen, die Erforschung von Stoffen mit endokriner Wirkung oder die Entwicklung von digitalen Gesundheitsplattformen.


Diese multimediale Installation gehört zum ehrgeizigen Projekt HeadNurse, das Anne-Mie Van Kerckhoven (°1951, lebt in Antwerpen) im Jahr 1995 startete. Das Projekt umfasst Ausstellungen und „Berichte“, in denen Künstler der zeitgenössischen visuellen Kunst ihre Dienste als „Oberschwester“ anbieten und ohne die geringste Ironie die heilende Kraft der Kunst hervorheben.

Edith Dekyndt (°1960, lebt in Tournai und Berlin) ist fasziniert von der Kurzlebigkeit des Alltags und versucht in Videoaufnahmen, sich ständig verändernde Zustände zu erfassen. So folgt sie in Inutile de suivre (bedeutend früher als American Beauty) in einer spannenden Choreographie einer Plastiktüte im Wind.

In ihrem Videofilm lässt Sasha Pirogova (°1986, lebt in Moskau) menschliche Körper einen überraschenden Tanz mit dem Wissensmanagementsystem der russischen Staatsbibliothek aufführen. So erscheinen unvermutete Eigenschaften und Erfahrungen in einem System, das alles als homogen und einheitlich darzustellen scheint. Es sind unsere Bewegungen, die Lebensqualität, Genuss und Tiefe bringen.