Anima Mundi besteht aus zwei eingefroren Momenten, die auf Foto festgelegt sind. Beide „Aktionen“ fanden im Freien in Bangkok statt und sind aus der Vogelperspektive abgelichtet worden. Auf dem ersten Bild steht Ulay oben auf der Treppe, während Marina unten aus einer gewissen Entfernung zu ihm aufblickt. Sie stehen still und strecken ihre Arme zueinander aus. Sie bleiben in dieser Position, wobei sie nicht in der Lage sind, einander zu erreichen. Mit ihren Armen, die zusammen einen Kreis bilden, scheinen sie die Seele der Welt umarmen zu wollen. Inzwischen steigt der Schatten von Abramović die Treppe hinauf, doch auch ihm gelingt es letztlich nicht, zur Ulay zu gelangen. In dem zweiten Bild kommen sie zueinander. Abramović sitzt nun auf der Treppe, ihr rotes Kleid um sie herum ausgebreitet. Ulay, vollständig in Weiß gekleidet, liegt regungslos in ihrem Schoß. Sowohl die Haltungen der Künstler als auch die Verwendung von Farben machen eine Assoziation mit einer Pietà – die Jungfrau Maria, die ihren vom Kreuz genommenen Sohn in ihrem Schoß hält und beweint – unvermeidlich. Abramović als die Jungfrau, das weibliche Symbol für die Natur und die Seele der Welt, hält ihren Sohn in ihrem Schoß, er kehrt zu ihr zurück. Anima Mundi gehört zur zweiten Reihe der Performances von Abramović und Ulay, in denen universelle Themen im Mittelpunkt stehen, wie hier beispielsweise die Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau. In diesem Fall handelt es sich um eingefrorene Performances: Die Künstler bewegen sich nicht, was die Bilder kontemplativ, doch zugleich auch dramatisch macht.