Kendell Geers
Der aus Johannesburg in Südafrika stammende Kendell Geers ist in einer der gefährlichsten Städte der Welt aufgewachsen. Aus einer Familie von Afrikaanern (oder Buren, den holländischen Einwandern) erhält er nach der Scheidung seiner Eltern eine katholische Ausbildung von seinem Vater. Da er sich schnell jeder Form der Autorität entgegensetzt, lehnt er mit 15 Jahren die Kolonialvergangenheit seiner Familie ab und wird zum Anti-Apartheid-Verfechter. Als er seinen Wehrdienst nicht antritt und Südafrika verlassen muss, zieht er nach New York, wo er Assistent von Richard Prince wird. 1990 bei der Befreiung von Nelson Mandela kehrt er nach Johannesburg zurück und arbeitet dort zehn Jahre lang, bevor er sein Herkunftsland ganz verlässt und sich in Brüssel niederlässt, wo er schließlich die belgische Staatsangehörigkeit annimmt.
Diese persönliche Geschichte eines Afrikaaners, der als « in zu Afrika weiß und in Europa zu schwarz » gilt, hat sein Werk zutiefst geprägt. Einige symbolische Stücke zeugen davon: Counting Out Song (a.k.a. Tyre), monumentale Skulpturen von Traktorreifen, die an die Lynchjustiz durch das Feuer erinnern ; T.W. (Fence), Stacheldraht, der den Zugang eines Museums versperrt; Hanging piece, eine große Installation aus an der Decke hängende Ziegelsteine, die an die städtische Guerilla erinnern ; oder auch Self-portrait, die Glasscherben von Bierflaschen der holländischen Marke Heineken ; oder auch die berühmte Videoinstallation T.W. (Shoot), die eine frenetische Kompilation von Filmausschnitten zeigt, wo der Schauspieler in Richtung Zuschauer schießt. Als Künstler vieler Disziplinen entwirft Geers Objekte, Installationen, Videowerke und führt zahlreiche Performances auf. Er erforscht und kritisiert immer wieder unsere Welt auf ganz frontale Weise und warnt vor der subversiven und eindeutigen Verfremdung, die durch Objekte, Bilder und Situationen unseres Alltags entstehen kann.
Ab Ende der 80er Jahre hat Kendell Geers so an den Verbindungen gearbeitet, die zwischen den Formen der konzeptuellen Kunst oder des Minimalismus und den politischen Fragen entstehen können. In diesem Sinne war er vollauf an diese Tendenz der zeitgenössischen Kunst gebunden, die vom Minimalismus und der konzeptuellen Kunst geerbten Formen mit einem « politischen » Inhalt zu versehen, was auch als paradoxale Formel « politischer Minimalismus » bezeichnet wird. Dies war der Fall gewisser bedeutender Werke wie
Mondo Kane, einem Betonquadrat, das mit Flaschenscherben gespickt ist; oder T.W. (Vitrine), einem viereckigen Schaufenster aus Glas, das durch einen Ziegelschein zerschmettert wird; oder das Werk The Garden of the Forking Paths, einen großen Hochsitz aus Beton und Stacheldraht. Das monumentale Werk Monument to the Unknow Anarchist fasst seine Sorgen zusammen: es handelt sich um ein brennendes Auto, das während der Ausstellung brennt, und auf dem Dach auf einem Sockel mit Glasscherben liegt. Als Zeuge des städtischen Aufstands symbolisiert es jegliche Form der Revolte, deren Legitimität je nach Ort, Zeit in der Geschichte und Führerklassen unterschiedlich ist. Kendell Geers, der gegen jede Form der Autorität ist, will mit diesem Symbol die Revolte der Unbekannten, der Vergessenen der Geschichte ins Rampenlicht rücken und die Zuschauer über die Legitimität einer solchen Handlung befragen.
Ganz allgemein behandelt Geers moralische und politische Werke und stellt dabei eine kritische Überlegung über den Kontext der Kunst, ihre Ausstellungen, ihre künstlerische Einrichtung und ihre Akteure. Zu Beginn der 90er Jahre kritisiert er die Ideologie des Museums, indem er die Dachleiste von mehreren Museen explodieren lässt, so dass nur Löcher in den Mauern und Schutthaufen zu sehen sind. In der jüngeren Vergangenheit unterstreichen seine letzten Eingriffe den Materialismus der westlichen Kunst, die von einem immer stärker werdenden Kunstmarkt und großen internationalen Veranstaltungen geprägt sind. So verbinden die beiden in der Ausstellung gezeigten Werke die traditionellen afrikanischen Skulpturen mit den aus der westlichen modernistischen Tradition geerbten Bildern. Diese Vereinigung von afrikanischer Magie und westlichen Bildriten soll der Kunst ihre ganze subversive Kraft, eine spekulative Macht über das Sichtbare hinweg, verleihen.
Kendell Geers hat an zahlreichen internationalen Ausstellungen wie die Biennale von Lyon 2005, Documenta XI, oder Dyonisiaque im Centre Pompidou teilgenommen. Er war auch auf der ersten Biennale von Johannesburg und der Ausstellung Hardcore. Vers un nouvel activisme im Palais de Tokyo vertreten. Er hat mehrere Soloausstellungen in den wichtigsten internationalen Einrichtungen erhalten und ist in den meisten internationalen Kollektionen vertreten. 2007 hatte er eine bedeutende Solo-Ausstellung, die gleichzeitig im BPS22 in Charleroi und im SMAK in Gent veranstaltet wurde.